
Persönlichkeitsstörungen
Als Persönlichkeitsstörung bezeichnet man ein psychiatrisches Krankheitsbild, bei dem der Patient Charaktereigenschaften bzw. -ausprägungen hat, die in Intensität, Dauer und Inhalt deutlich von der Norm abweichen.
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Die betroffenen Personen sind dadurch einerseits einem besonderem Leidensdruck unterworfen, andererseits leidet häufig auch die Umgebung unter den entsprechenden Krankheitssymptomen. Was heute als Persönlichkeitsstörung bezeichnet wird, nannte man früher Neurose, Hysterie oder Psychopathie. Diese Begriffe waren aber sowohl stigmatisierend als auch inhaltlich unklar und werden deswegen heutzutage nicht mehr gebraucht. Neuer Studien haben gezeigt, daß ca. 10% aller Menschen die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllen. Grundsätzlich haben Persönlichkeitsstörungen einen chronischen Verlauf und beginnen schon in der Kind- bzw. Jugendzeit.
Die Grenze zwischen einer "normalen" Persönlichkeit und einer Persönlichkeitsstörung ist natürlich fließend und deshalb Anlass für vielfältige Diskussionen. Es ist deswegen besonders wichtig, daß man zwischen einem Persönlichkeitsstil und einer Persönlichkeitsstörung unterscheidet. Grundsätzlich muss man bei dieser wichtigen Unterscheidung darauf achten, ob ein Mensch durch seine Persönlichkeit deutlich in seiner sozialen Stabilität und Wohlbefinden gestört ist und seine Umgebung durch seinen Persönlichkeitsstil massiv beeinträchtigt. Erst wenn dies gegeben ist, darf man von einer Persönlichkeitsstörung sprechen. Ein Mensch, der trotz eines sehr ausgeprägten, vielleicht sogar auffälligen Persönlichkeitsstils sozial stabil, nicht leidend und im sozialen Umgang für seine Mitmenschen nicht ausgeprägt belastend ist, hat keine Persönlichkeitsstörung.
Zu jeder Persönlichkeitsstörung gehört deshalb die anhaltend "übersteigerte" Ausprägung einer normalen menschlichen Eigenschaft, die chronisch zu individuellen bzw. sozialen Konflikten führt:
Persönlicher Stil |
Persönlichkeitsstörung |
---|---|
gewissenhaft, sorgfältig |
zwanghaft |
ehrgeizig, selbstbewusst |
narzistisch |
expressiv, emotional |
histrionisch |
wachsam, misstrauisch |
paranoid |
sprunghaft, spontan |
borderline |
anhänglich, loyal |
dependent |
zurückhaltend, einsam |
schizoid |
selbstkritisch, vorsichtig |
ängstlich-selbstunsicher |
ahnungsvoll, sensibel |
schizotypisch |
abenteuerlich, risikofreudig |
dissozial |
Es werden demnach folgendende Persönlichkeitsstörungen definiert:
- Paranoide Persönlichkeitsstörung
- Schizoide Persönlichkeitsstörung
- Schizotype Persönlichkeitsstörung
- Dissoziale Persönlichkeitsstörung
- Borderline Persönlichkeitsstörung
- Narzistische Persönlichkeitsstörung
- Histrionische Persönlichkeitsstörung
- Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
- Ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
- Abhängige Persönlichkeitsstörung
- Sonstige Persönlichkeitsstörungen (Mischbilder)
Ursachen der Persönlichkeitsstörung
Zu den möglichen Faktoren der Entstehung einer Persönlichkeitsstörung rechnet man (hier anhand des Beispiels einer Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung)
- Eine neurobiologische Disposition (z.B. physiologische Übererregbarkeit)
- Frühe psychosoziale Lernerfahrungen (z.B. häufige Bestrafung für aktives, selbstsicheres Verhalten)
- Aktuelle Verstärkung von fehlerhaften Verhaltensweisen (Vermeidung von sozialen Anforderungssituation führt zu unmittelbarer affektiver Entlastung)
Behandlung von Persönlichkeitsstörungen
Die Probleme von persönlichkeitsgestörten Patienten bestehen in der Regel schon seit der Kind- oder Jugendzeit und werden oftmals vom Patienten als wenig störend bzw. als unveränderbarer Teil ihrer Persönlichkeit angesehen. Somit ist die Therapiemotivation bei diesen Patienten eher gering und die Therapien gestalten sich oftmals als recht schwierig. Manche Patienten sind sich der Probleme ihrer Persönlichkeit zwar bewusst (z.B. selbstunsicheres Verhalten, egoistische Tendenzen, dramatisierende Verhaltensweisen, selbstverletzendes Verhalten), wissen aber nicht, wie sie eine Änderung herbeiführen können. Andere Patienten zeigen die gleichen schweren Verhaltensauffälligkeiten, sind sich jedoch einer Problematik dessen nicht bewusst. Insofern ist es besonders wichtig, daß ein Patient mit einer Persönlichkeitsstörung eine Therapiemotivation entwickelt und eine Behandlung aktiv anstrebt. Hierzu gehört in erster Linie eine gute Zusammenarbeit und Verständnis mit dem oder der Therapeuten/-in. Die eigentliche Therapie von persönlichkeitsgestörten Patienten unterteilt sich in eine psychopharmakologische Therapie und eine psychotherapeutische Therapie, die im folgenden kurz dargestellt werden sollen.
Psychopharmakologische Behandlung
Es gibt keine psychopharmakologische Standardtherapie der Persönlichkeitsstörung, weswegen hier grundsätzlich syndromorientiert vorgegangen wird. D.h., daß man nicht die Persönlichkeitsstörung als solche zur Grundlage einer Entscheidung über die Medikation macht, sondern die hervorstehenden Symptome bzw. Beschwerden des Patienten. In der folgenden Liste werden gängige Psychopharmakagruppen und ihr Anwendungsgebiet vorgestellt:
- Serotoninwiederaufnahmehemmer
(z.B. Citalopram, Paroxetin, Sertralin, Velafaxin) bei 1. depressiven Syndromen, 2. Zwangssymptomen und 3. ängstlicher Symptomatik.
- Atypische Antipsychotika
(z.B. Aripiprazol, Amisuprid, Quetiapin, Risperidon) bei 1. psychotischen Symptomen, 2. Impulsdurchbrüchen und Aggressivität.
- Stimmungsstabilisierer/Antiepileptika
(z.B. Lamotrigin, Valproat, Topiramat) bei 1. Impulsdurchbrüchen und Aggressivität und 2. Stimmungslabilität.
Psychotherapeutische Behandlung
Vereinfacht ausgedrückt gibt es zwei wichtige Therapierichtungen, die sich spezifisch mit der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen befasst haben: 1. die Verhaltenstherapie und 2. die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Da in unserer Klinik die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz kommt, wird hier nur diese Therapierichtung kurz dargestellt. Die kognitive Verhaltenstherapie arbeitet einerseits an der Erkennung und Veränderung von sogenannten fehlangepassten Verhaltensweisen, also Verhaltensweisen, die bei dem Patienten zu einer Verschlechterung seiner psychosozialen Situation führen (z.B. Rückzug und Vermeidung bei Patienten mit einer Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung). Darüber hinaus werden fehlangepasste bzw. "krankmachende" Gedanken identifiziert und in der Therapie verändert (z.B. der Gedanke, daß alle Menschen intelligenter, gebildeter und besser sind als man selbst bei Patienten mit einer Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung). Zu Beginn der kognitiven Verhaltenstherapie steht die Motivationsphase, in der es darum geht, daß der Patienten/Patientin gemeinsam mit dem Therapeuten sein/ihr Problem identifiziert und ein Ziel definiert. Im Verlauf werden dann die Probleme genauer untersucht und praktische Lösungsstrategien erarbeitet, woran sich die Übungsphase anschließt. Lösungsstrategien können z.B. Training von selbstsicheren Verhalten und Korrektur von katastrophisierenden Gedanken bei Patienten mit einer Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung sein. Sicherlich ist es nicht möglich, im Rahmen einer Psychotherapie die Persönlichkeit eines Menschen grundsätzlich zu ändern. Vielmehr geht es der Therapie um die Bearbeitung von extremen Verhaltens- und Denkweisen, die den Patienten und/oder seine Umwelt immer wieder vor große Probleme stellen und den Patienten schaden. Von besonderer Bedeutung bei der Therapie von Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung ist die Etablierung eines vertrauensvollen Kontaktes mit dem Therapeuten.