
Aufmerksamkeitsstörung (ADHS)
Die hyperkinetische Störung ist eine häufige und bekannte psychiatrische Diagnose im Kindes- und Jugendalter, die ca. bei drei bis fünf Prozent aller Kinder vorkommt.
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Bis vor kurzem ging man davon aus, dass es sich hierbei um eine Entwicklungsstörung handelt, die im Laufe der frühen Jugendzeit verschwindet.
Diese Einschätzung wird heute in Zweifel gezogen. Nach neueren Erkenntnissen ist vielmehr davon auszugehen, dass ca. 30-40% der hyperkinetischen Kinder und Jugendliche Symptome dieser Erkrankung auch bis in das Erwachsenenalter behalten. Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass der Verlauf der Erkrankung vom Kindes- zum Erwachsenenalter durch einen Wandel der Hauptsymptome gekennzeichnet ist. Die typische Trias dieser Störung mit Hyperaktivität, erhöhter Impulsivität und Aufmerksamkeitsdefizit zeigt dabei in der Regel einen alterspezifischen Verlauf mit charakteristischen Beschwerden im Erwachsenenalter.
Beschwerden bei ADHS im Erwachsenenalter
Aufmerksamkeitsstörungen
Betroffene haben typischerweise Schwierigkeiten die Aufmerksamkeit und Konzentration konstant auf einen bestimmten Sachverhalt zu lenken und dabei Ablenkungen auszublenden. Aus diesem Grunde sind sie häufig vergesslich, machen Flüchtigkeitsfehler, halten Arbeiten und Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, nicht durch. Sie sind ablenkbar, verlieren häufig Gegenstände, haben häufig Unfälle verschiedener Art. Sie wirken geistesabwesend, unaufmerksam, verträumt, hören nicht zu und wechseln im Gespräch ständig Themen und Einfälle.
Desorganisiertes Verhalten
Die Patienten haben Schwierigkeiten, Arbeiten zu organisieren und zu planen, sie sind nicht fähig, selbständig Aktivitäten in Angriff zu nehmen. Sie führen Aktivitäten nicht zu Ende, haben Schwierigkeiten, Anordnungen durchzuführen oder sich unterzuordnen, können ihre Zeit nicht einteilen. Häufige, oft schwer erklärliche Arbeitsplatzwechsel und -verluste sind typisch, oppositionelles Verhalten ist häufig.
Motorische Hyperaktivität
Die charakteristische motorische Hyperaktivität des Kindesalters verschwindet häufig im Erwachsenenalter. Trotzdem bleibt ein Teil der Patienten motorisch "zappelig", innerlich unruhig und angespannt. (z.B. Wippen mit den Füssen am Tisch). Ruhige Tätigkeiten fallen ihnen häufig schwer. Sie sind schnell gelangweilt, brauchen ständig Anregung und Aktivität. Entsprechend werden Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden, selten beibehalten.
Impulsivität
Die Patienten neigen zu unüberlegten Handlungen auf verschiedenen Gebieten, hierbei werden auch häufig Handlungen ohne Berücksichtigung der Konsequenzen durchgeführt (z.B. impulsive Einkäufe). Sie reagieren unüberlegt und zeigen eine erhöhte Ungeduld.
In Gesprächssituationen unterbrechen sie z.B. den Sprachfluß des anderen häufiger ohne ihn ausreden zu lassen.
Affektkontrolle
Sie neigen zur erhöhten Reizbarkeit sowie einer verminderten Frustationstoleranz und zeigen dabei häufig unvermittelte oder unerwartete Reaktionen auf äußere Situationen. Sie können sich mitunter schwer beherrschen und Handlungen kontrollieren. Besonders ausgeprägt zeigt sich dies unter Alkoholeinfluß. Bei Kritik reagieren die Patienten häufig mit Wut, Streit, und sie haben Schwierigkeiten, dieses explosives Verhalten zu kontrollieren.
Emotionale Instabilität
Die Patienten haben häufig rasche Stimmungswechsel, die kurz anhalten und schnell durch gegenteilige Affekte abgelöst werden. Die Palette reicht von Wut und Aggressivität über Deprimiertheit zu Euphorie. Häufig führen bereits kleine Anlässe zu solchen Wechseln und diese Reaktionen können zu sozialen Problemen führen.
Weitere Beschwerden / Begleiterkrankungen
Häufig kann im Verlauf die Entwicklung von depressiven Beschwerden (Gefühl der Leere, "Gefühlsverarmung",) beobachtet werden. In Einzelfällen können sich daraus typische depressive Episoden oder Dysthymien entwicklen, die dann auch behandelt werden sollten. Daneben können sich auch verschiedene Angststörungen (z.B. soziale Phobie) entwickeln, die zu einer weiteren Belastung des sozialen Lebens führen kann.
Ein häufig zu beobachtendes Problem ist die Entwicklung eines Alkohol- und Drogenmißbrauches, beziehungsweise einer Suchtmittelabhängigkeit.
Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter
Die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter ist eine relativ junge Störung, verglichen mit den "klassischen" Diagnosen wie z.B. Depression, Schizophrenie oder Angsstörungen. Aus diesem Grunde liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine allgemeinverbindlichen Kriterien zur Diagnostik und Therapie dieser Störung vor. Aus Kenntnis der Literatur sowie unserer Erfahrung in der Ambulanz haben sich jedoch folgende Punkte bei der diagnostischen Einschätzung bewährt.
- Es muss sichergestellt sein, das die Beschwerden und Symptome durchgehend und kontinuierlich seit der frühen Jugend vorliegen. Hierbei ist es jedoch durchaus typisch, das sich die Beschwerden im Laufe der Jahre verändern können, bzw. sich ihre Gewichtung verschiebt.
Ein Vorliegen von mindestens zwei der genannten Beschwerden oder Verhaltensauffälligkeiten ist für die Diagnose erforderlich. - Der Nachweis über das Vorliegen von ADHS sollte sich sowohl aus den Angaben der betroffenen Person als auch durch die Ausführungen einer nahestehende Bezugsperson ergeben. Aus dieser Forderung ergibt sich zwingenderweise, das sogenannte "fremdanamnestische Angaben", also die Angaben von Verwandten, Freunden oder Lebenspartner einen wichtiger Aspekt in der Diagnosefindung darstellen.
- Neben dem ausführlichen ärztlichen Gespräch sollte auch eine spezifische testpsychologische Untersuchung durchgeführt werden, um zu einer adäquaten Einschätzung bezüglich des Gesamtbildes des Patienten zu kommen.
Therapie von ADHS im Erwachsenenalter
Es gibt heutzutage gute Möglichkeiten ADHS im Erwachsenenalter zu behandeln. In der Regel wird dabei auf eine Kombination von medikamentöser Therapie und Psychotherapie zurückgegriffen. Die moderne pharmakologische Therapie stützt sich dabei auf zwei Säulen. Zum einen kommen moderne Substanzen zum Einsatz, die auch in der Behandlung der Depression oder der Angsterkrankung Verwendung finden. Zum anderen werden in Sonderfällen auch Medikamente verwendet, die aus der Behandlung der hyperkinetischen Störung bei Jugendlichen bekannt sind. Mithilfe der Mediktion erleben viele Patienten häufig die Möglichkeit, sich im Freundeskreis und bei der Arbeit wieder angemessen zu verhalten. Darauf aufbauend versucht die Verhaltenstherapie, z.B. Organisationsschwierigkeiten zu besprechen und Lösungsansätze zu vermitteln. Ein weiterer Schwerpunkt kann aber auch darin bestehen, seine Kompetenz in sozialen Fragen zu verbessern oder Strategien zu erarbeiten, wie die erhöhte Impulsivität in akzeptablere Bahnen gelenkt werden kann.